Verleihung des 14. Harder Literaturwettbewerbs 2020
Harder Literaturpreis (€ 5.000) für: Sonja M. Schultz
Förderpreise: (je € 1.000) für: Helene Proißl und Joachim Off
Ausschreibung zum Thema „Am Wasser“
Die Gemeinde Hard liegt „am Wasser“, genauer gesagt: am Bodensee. Dieses Gewässer war lange Zeit sehr bedeutend für die Harder Industrie und Wirtschaft, heute hat es vor allem einen wichtigen Stellenwert im Tourismus. „Am Wasser“ ist somit für die einen Sehnsuchtsort, für die anderen Arbeitsplatz oder ganz einfach Wohnort. Manche träumen sich ans Ufer, manche beobachten dort Spiegelungen der Wasseroberfläche oder Trübungen, manche lauschen dem Wellenrauschen, manche ärgern sich über Untiefen, manche wittern eine drohende Gefahr, und wieder andere stolpern unverhofft über angespülte Fundstücke. Für den 14. Harder Literaturwettbewerb waren Autorinnen und Autoren eingeladen, sich literarisch ans Ufer zu begeben und kurze Prosatexte zu verfassen, die einen neugierigen Blick aufs/ins Wasser werfen und Stimmungen oder Unstimmigkeiten am Wasser aufspüren.
Erneut mehr Einsendungen als beim letzten Mal
Das Thema stieß auf großes Interesse bei Autor*innen. Erneut ist die Zahl der gültigen Einsendungen stark angestiegen: Knapp 700 AutorInnen aus allen deutschsprachigen Ländern schickten ihre Texte nach Hard. Wasser in all seinen Formen kam darin vor: Vom Grundwasserbrunnen über kleine Bäche, Flüsse und Seen bis zum großen Meer war alles dabei. Vielfältig waren die Handlungen, die von traurigen Ereignissen wie tragischen Unfällen im Wasser, Wasserbestattungen, Streitigkeiten wegen des Wassers, aber auch von Freundschafts- und Liebesgeschichten, Urlaubsfahrten, Träumen, Glück und Sehnsüchten erzählten.
Die prämierten Texte
Im anonymen Verfahren ermittelte die sechsköpfige Jury die Siegertexte. Der Hauptpreis wurde Sonja M. Schultz aus Berlin zuerkannt. In ihrer Erzählung „Luke 5“ zieht ein Ich-Erzähler Bilanz über sein Leben und lässt die Leser*innen eintauchen in seine Erinnerung an die Kaschemme „Luke 5“ und ihre Besucher, die tagsüber mit Schwerarbeit im Hafen oder auf der Straße ihr Geld verdienen. Der Text zeichnet sich unter anderem durch überraschende poetische Bilder und eine unverkennbare Sprache aus. Aus der Jurybegründung: „Und darin liegt das Besondere dieses Textes, dass eine Zärtlichkeit aufscheint, die auch ohne den Kontrast zum grobschlächtigen Umfeld ans Herz ginge, und es aber umso mehr tut, weil es der Autorin auf solch kunstvolle Weise gelingt, ein jedes Klischee souverän zu umschiffen. Dieser Zusammenhalt unter den Männern, ihr Respekt vor einer viel zu großen Frau, die Schwäche zeigt und die Hafenarbeiter gerade damit gewinnt: Hier ist ein großes literarisches Talent am Werk.“ Die beiden Förderpreise gingen an Helene Proißl aus Wien und an Joachim Off aus Gerlingen bei Stuttgart.
In ihrem Text „am wasser“ beweist Helene Proißl eindrucksvolle Sprachkunst, die sich vor allem in Rhythmus, aber auch in dem überraschend ungewöhnlichen Szenario zum vorgegebenen Thema äußert.
Joachim Off greift mit seiner Erzählung „rücklings: leibhaftig“ nicht nur mutig ein äußerst „schwieriges“ Thema auf, nämlich den Mord aus Mitleid, sondern zeigt dabei auch große Könnerschaft. In seinem außergewöhnlichen, aufrüttelnden Text erspart er weder der Figur des mordenden Altenpflegers noch den Leser*innen das moralische Dilemma. Er weitet den Blick, schafft Verständnis, zeigt, urteilt nicht, sondern lässt selbst urteilen.
Keine festliche Preisverleihung, sondern Online-Lesung
Aufgrund der aktuellen Situation und der COVID-19-Maßnahmen mussten die Preisverleihung sowie das anschließende Literaturfestival HardCover abgesagt werden. Als Ersatz werden die Siegertexte am 10. Juni online präsentiert, und zwar wie bei der Preisverleihung geplant von den Autor*innen selbst gelesen. Ebenfalls online erlebbar werden die ursprünglich zum Festival eingeladenen Autor*innen sein, darunter Yannic Han Biao Federer, der 2018 den Harder Literaturpreis gewann und letztes Jahr zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen war. Aktuelle Updates dazu in Kürze auf www.literaturfestival-hard.at!
In gedruckter Form erscheinen die prämierten Texte gemeinsam mit fünf weiteren herausragenden Einsendungen in einer Sonderausgabe der „miromente“ Anfang Juni.
Kurzbiografien der Preisträger*innen
Sonja M. Schultz (* 1975) wuchs in der Nähe von Elbe und Hamburger Hafen auf, lebt seit dem Studium in Berlin. Sie schreibt und tritt mit Spoken Word und Songs auf alternativen Bühnen auf. 2017 war sie Stipendiatin der Prosawerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin. 2019 erschien ihr Romandebüt „Hundesohn“ im Kampa Verlag.
Helene Proißl (* 1996) wurde in Wien geboren und wuchs dort auch größtenteils auf. Sie studiert Germanistik an der Universität Wien, malt, liest und tanzt gern und widmet sich am Schreibtisch journalistischen Tätigkeiten und eigenen Texten.
Joachim Off (*1974) wurde in Leonberg bei Stuttgart geboren, studierte Physik in Stuttgart und arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen. Er ist langjähriges Mitglied des 42erAutoren e.V., einem 1999 gegründeten Verein zur Förderung der Literatur. Beim 15. Schwäbischen Literaturwettbewerb belegte er 2019 den 2. Platz und arbeitet derzeit an seinem ersten Roman. Er wohnt in Gerlingen bei Stuttgart.
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Foto: Sonja M. Schultz
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